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Kurzmeldungen

„Der Weg war das Ziel“

Bild: Stadt Altdorf

Der Journalist Michael Wigge berichtete im Altdorfer Kulturtreff von seiner Reise „bis ans Ende der Welt“

ALTDORF – Die Deutschen findet er geradlinig, direkt und zuverlässig, und in Nordamerika seien die Menschen besonders entspannt. Michael Wigge ist ein Globetrotter, der als Autor und Journalist immer wieder neue Herausforderungen im Reisekontext sucht. Seine Motivation: „Die Welt ist ein besserer Ort, als uns die Tagesschau abends erzählt.“ Im Altdorfer Kulturkreis berichtete Wigge im Kulturtreff unter der Schirmherrschaft von Stadtwerke-Geschäftsführer Florian Müller von seiner Reise „bis ans Ende der Welt“: elf Länder in sechs Monaten ohne einen Cent in der Tasche. Ein amüsanter Roadtrip über vier Kontinente von Berlin in die Antarktis, dessen „aus dem langen Arm gefilmtes Videomaterial“ der Autor zu bestem Infotainment gemacht hat.

Laminiertes Konzept

In seiner Begrüßung fragt sich Stadtrat Thomas Kramer, wie der Deutsche eigentlich Urlaub mache. Erfahrungsgemäß planvoll. Auch Michael Wigge hatte sich im Vorfeld der Reise einige Gedanken gemacht und war entsprechend ausgestattet: mit einem laminierten Konzept, da Menschen weltweit nun einmal einen Grundrespekt vor offiziell anmutenden Papieren haben, einem kleinen weißen Computer („Ohne Internet hätte ich die Reise nicht geschafft.“), einem Kostüm als britischer Butler, zwei Kissen und einem Krümelmonster. Wigges Idee: Wo kein Geld ist, bleibt Raum für Tauschaktionen. Für Essen, Unterkunft und die Weiterreise hat er Witze erzählt, ist zum menschlichen Sofa mutiert, hat als Butler gearbeitet und Kissenschlachten angeboten. Mehr als 100 Menschen haben ihm auf seinem Trip geholfen und dort, wo die Mentalität dem direkten Kontakt entgegenstand, wurde das Krümelmonster zum Vermittler.

Die wenigen negativen Erfahrungen, die der 42-Jährige auf seiner Reise gemacht hat, spart er aus. Das verzerrt das Bild keineswegs. Wigge geht vollkommen unvoreingenommen auf Menschen zu: seien es nächtliche Streifzüge durch Lebensmittelcontainer in Köln mit Peter, der keinen Wohnsitz hat, oder Auftritte als Butler für „Harald, den Millionär“, der ein Muskelshirt trägt und dessen Fuhrpark einem Lamborghini Spot gleichkommt. Michael Wigge wertet nicht; egal, wo er ist und wen er trifft, das macht den Roadtrip zu einem Diskurs in interkultureller Kompetenz.

Für die Schiffspassage von Antwerpen nach Montreal in Kanada heuert Wigge elf Tage lang auf einem Containerschiff an. Angst hat er vor gar nichts und als er heftig seekrank wird, hält er auch das in seinem Videotagebuch fest. In Kanada angekommen, ist sein Computer die Eintrittskarte fürs Couchsurfing, die Gratisübernachtung bei Fremden. Mag sein, dass der deutsche Pauschalurlauber dabei innerlich zusammenzuckt: Wigge trifft Menschen und lässt sich auf sie ein.

Nach dem Motto „Frechheit siegt“ hält er bei den Niagara Fällen sein laminiertes Konzept hoch und erklärt, er sei Claus Kleber vom ZDF. Natürlich bekommt er freien Eintritt und Claus Kleber lässt ihm später ausrichten, dass er sich gefreut habe, einen kleinen Teil zur Reise beigetragen zu haben. In Cleveland erfährt Wigge, dass dort Trampen verboten ist. Also wandert er und lernt dabei den amischen Bauern Mark kennen, der ihn drei Tage in seine 100-Seelen Gemeinde Berlin mitnimmt. Im Kontakt mit den Amischen erlebt der gebürtige Sauerländer die Bedeutung kultureller Verflechtungen.

Wigges Ideen für Tauschaktionen sind unerschöpflich und augenzwinkernd nutzt er immer wieder die Gunst der Stunde, sofern sie sich bietet: In Peru hat er „das erste Mal Geburtstag im Oktober“, weil die Restaurants Geburtstagskinder generell einladen. Einzig die Entscheidung, eine Reisegruppe nach Machu Picchu zu begleiten, erweist sich angesichts der mehr als 2400 zu überwindenden Höhenmeter als Grenzerfahrung.

„Ich war immer im Kontakt mit tollen Menschen“, resümiert Michael Wigge am Ende seines Vortrags. „Es ist gut, die eigene Sicht zu relativieren“, fügt er hinzu.

Bild & Text: Susanne Voss